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AGLAN

Arbeitsgruppe
Luftfahrtarchäologie
Niedersachsen

04.07.1941 Operation Wreckage

Der 69. Luftangriff auf Bremen


Ziel des Einsatzes, der von der Royal Air Force den Decknamen "Operation Wreckage" bekam, war ein überraschender Tagesangriff in den Morgenstunden auf die Hafenstadt Bremen. Durchgeführt werden sollte der Angriff durch neun Bristol Blenheim Mk. IV Bomber des No. 105 Squadron unter Führung des Wing Commander Hughie Idwal Edwards und sechs weiteren Bomber des gleichen Typs vom No. 105 Squadron unter Führung des Wing Commanders Lawrence Victor Elliott Petley.


Die Bomber des No. 107 Squadron starteten von Great Massingham um etwa 05:10 Uhr und kurz darauf um etwa 05:20 Uhr die Bomber des 105 Squadron von ihrem Flugplatz in Swanton Morley.


Der Verband flog, Funkstille haltend, im Tiefflug über die Nordsee, diesiges und nebliges Wetter erschwerte das navigieren, verbarg den Verband aber vor der Sicht des Feindes. Drei Bomber des No. 107 Squadron mussten den Einsatz abbrechen. Squadron Leader "Zeke" Murray und Flying Officer Charny kehrten wegen technischer Probleme zurück nach Great Massingham während Flight Lieutenant Jones wegen einer Erkrankung den Einsatz beendete.


Parallel zu dieser Operation führte das No. 226 Squadron unter Wing Commander Ralph Georg Hurst mit fünf Bristol Blenheim Mk. IV Bombern einen Angriff auf Norderney durch, bei dem Hurst abgeschossen wurde.


Das No. 21 Squadron, ebenfalls mit Bristol Blenheim Mk, IV ausgerüstet, flog mit sechs Bombern einen Störangriff auf das Chemiewerk Chocques in Frankreich.


Der kombinierte Verband des No. 105 und No. 107 Squadron wurde vermutlich das erste Mal durch einen küstennahen deutschen Konvoi in der Deutschen Bucht entdeckt, mit Sicherheit aber um 07:37 Uhr von der Nordseeinsel Wangerooge aus, welche der Verband nördlich außerhalb der dort stationierten Flakbatterien passierte. Zur gleichen Zeit wurde Luftalarm 30 in Bremen ausgelöst.


Südlich von Cuxhaven überflogen die Bomber die Küste und nahmen Kurs auf Bremen. Auf den Feldern bereits arbeitende Bevölkerung schaute zu den Bombern empor und winkte ihnen zu, in der Annahme deutsche Flugzeugbesatzungen zu grüßen.


Um 07:53 Uhr wurde in Bremen Fliegeralarm gegeben, kurz darauf waren die Bomber über ihrem Ziel. Von Osten kommend überflogen die Bomber, aufgefächert, das Stadtgebiet von Bremen, teilweise im Tiefstflug inzwischen 15 und 50 Metern Höhe. Die Blenheim von Wing Commander Edwards riss dabei mit dem Spornrad eine Telefonleitung ab, die von einem Telefonmast zu einem Bürogebäude gespannt war. Die Bremer Flugabwehr konnte ihre schweren Waffen aufgrund der geringen Flughöhe der Angreifer nicht zum Einsatz bringen, sodass die leichten Flakgeschütze (Kaliber 2 cm und 3,7 cm) das Feuer aufnahmen.


Eine nicht unerhebliche Anzahl der Bomben wurde auf Wohngebiete abgeworfen. So wurde ein Gebäude in der Ritterhuder Heerstraße 4 schwer beschädigt und dabei eine Bewohnerin schwer, eine Weitere leicht verletzt. Am Fockenberg 41 wurde die Gewächshäuser der Gärtnerei Runken schwer getroffen, ebenso das Gebäude am Fockeberg 50. In der Heilshorner Straße 19 und 21 gab es starke Beschädigungen. Einige angrenzende Gebäude wurden leicht beschädigt. Zahlreiche Glasschäden gab es in den umliegenden Straßen.


Die Häuser im Bakeweg 12 und 15 wurden durch Sprengbomben total zerstört wobei im Bakeweg 12 zusätzlich noch vier Brandbomben fielen die dort ein Strohgedecktes Stallgebäude in Brand setzten, welches ebenfalls zerstört wurde. Die Familie Schumacher aus Haus Nummer 15 ereilte ein schwerer Schicksalsschlag. Eine Sprengbombe die etwa in Höhe der Traufe in das Haus einschlug, detonierte im Haus. Die Decke des behelfsmäßigen Luftschutzraumes im Keller konnte der Belastung durch die absackenden Erd- und Obergeschossdecken nicht standhalten. Klara Schuhmacher 36 Jahre alt und ihr 6 Jahre alter Sohn Heinz wurden verschüttet und konnten nur noch tot geborgen werden. Ehemann und Großmutter wurden ebenfalls verschüttet, überlebten aber verletzt. In der Rabelinghauser Landstraße 52 wurde das Wohn- und Gasthaus Landlust getroffen. Die 59-jährige Emilie Semt konnte nur noch tot aus ihrer Wohnung geborgen werden, ihr gleichaltriger Ehemann Alfred überlebte schwer verletzt.


Bei den Atlas-Werken, deren Schiffspropellergießerei und Kaffeeküche schwer beschädigt wurde, sowie ein Minensuchboot, dass Beschädigungen durch Splitter erhielt, wurde ein Werkzeugschuppen der Firma im Überseehafen bei Schuppen 14 durch den Absturz der Blenheim Z7426 vernichtet, hierbei kamen der 45-jährige Karl Mittendorf, der 57 Jahre alte Werner Zinnius der 40-jährige Franz Bigdowski und der 50-jährige Heinrich Weber ums Leben. Die dreiköpfige Besatzung des Bombers wurde ebenfalls getötet.


Neben dem Hafengebiet, im Europahafen wurde der Schuppen 8 durch Sprengbomben beschädigt, die Weser-Flugzeugbau im Industriehafen vermeldete auch Schäden, wo vier Sprengbomben niedergingen und Schäden an Gebäuden und Flugzeugteilen verursachte. Bei der Vacuum-Öl wurden zwei leer Tanks durch Splitter getroffen und brannten aus, galt der Angriff den Bahnanlagen in Bremen. Die Bahnstrecke nach Oldenburg wurde unterbrochen, eine Sprengbombe durchschlug den Finndorff-Tunnel (Findorffstraße), dadurch entstanden Glasschäden am Stellwerk 8 und Gebäuden in der Findorffstraße. Der Schuppen 5 am Hauptbahnhof wurde durch eine Sprengbombe stark beschädigt.


Der Rangierbahnhof (Bremen R) zwischen Schwarzer Weg und Halmerweg wurde getroffen, Gleise sowie der Lokschuppen beschädigt. Haupt- und Nebengleis nach Bremerhaven wurden getroffen, sowie drei Lokomotiven stark beschädigt.


Durch den Absturz der Blenheim V6193 im Parzellengebiet von Gröpelingen brannten zwei Laubenbuden ab. Zwei weiter Blenheim stürzten auf offenem Feld ab und verursachten Flurschaden. Blenheim V6020 im Blockland und Blenheim Z7486 südlich von Seehausen.


Einige Bomben fielen in die Weser in Höhe des Ortseingangs von Seehausen, sowie im Verlauf der Hemmestraße in Höhe des Tierschutzvereins auf freies Feld. Blindgänger störten den Straßen- und Bahnverkehr, teilweise bis in die Abendstunden. Schäden wurden zügig beseitigt, sodass zum Beispiel die Schäden an den Gleisanlagen bis zum Mittag beseitigt waren.


Weiter leichte Schäden und Leichtverletzte forderte der Einsatz der eigenen leichten Flak. Da die Sprengpunkte aufgrund der tief fliegenden Bomber in Haushöhe lagen, entstanden Glas- und Dachschäden, Personen wurden durch Splitter verletzt. In Lankenau wurden durch Flakeinwirkung ein Pferd getötet und zwei weiter so schwer verletzt, dass sie notgeschlachtet werden mussten.


Bremen hatte an diesem Tag 8 Tote und 10 Schwer- und 3 Leichtverletzte zu beklagen. Bis auf einen Piloten kamen alle Besatzungsmitglieder der vier abgeschossenen britischen Bomber ums Leben. Diese zwölf Flieger wurden teilweise als Unbekannte auf dem Friedhof in Bremen-Walle erstbestattet.


Die verbleibenden Bomber flogen wiederum im Tiefflug über Bremerhaven und die deutsche Bucht zurück nach England ohne im Verlauf der ganzen Operation von Jagdflugzeugen der deutschen Luftwaffe behelligt worden zu sein. So wurden die britischen Flieger in ihrer Heimat hochgelobt. Air Commander Stevonson sendete ein Telegramm: "Dieser so tapfer, tief in Deutschland ohne Jagdschutz durchgeführter Überfall wird immer hoch anerkannt sein in der Geschichte der Royal Air Force." In einem Funkspruch des C-inC Bomber Command, Sir Richard Peirse, heißt es: "Ihr Angriff heute Morgen... war ein herausragendes Beispiel von Forschheit und Initiative. Ich sende Ihnen und Ihren Offizieren und den Mannschaften herzliche Glückwünsche und die Bewunderung des Command." Wing Commander Hughie Idwal Edwards erhielt für diesen Einsatz das Distinguished Flying Cross.


Auch für die Bremer Flak war die Abwehr dieses Angriffs ein großer Erfolg, dies wurde durch ein feierliches Antreten von Soldaten der Flakgruppe und der Verleihung von mehreren eisernen Kreuzen II. Klasse durch General der Flieger Ludwig Wolff, kommandierender General und Befehlshaber im Luftgau XI, zum Ausdruck gebracht. Den Batterieführern wurde durch Überreichung eines Abschusswimpels für ihre Batterien eine besondere Anerkennung zuteil. Auch der Kommandeur der Bremer Flak Generalmajor Wagner erhielt einen Abschusswinkel für die gute Organisation und Disziplin, sowie für die große Leistung der unterstellten Truppe.



Quellen:

Unterlagen zum 69. Luftangriff, Staatsarchiv Bremen, Bestand 4,77

Luftgaukommando XI

Abschussliste 8. Flakdivision

Bomber Command Losses

CWGC


Bildnachweis:

[1] Australien War Memorial

[2] Imperial War Museum

[3] Staatsarchiv Bremen, Signatur 3998, Foto: Köster

[4] Staatsarchiv Bremen, Signatur 3999, Foto: Köster

[5] Staatsarchiv Bremen, Signatur 5392, Foto: Cüppers

[6] Staatsarchiv Bremen, Signatur 2906, Foto: Cüppers

[7] Staatsarchiv Bremen, Signatur 4009, Foto: Köster

[8] Australian Government

Zeitgenössische Darstellung als Zeichnung des Angriffs. Flugzeuge bombardieren den Hafen von Bremen.
Zeitgenössische Darstellung des Angriffs [1]
Überflug über den nördlichen Teil der Weser Flugzeugbau im Industriehafen (heute Kohlekraftwerk).
Überflug über den nördlichen Teil der Weser Flugzeugbau im Industriehafen (heute Kohlekraftwerk), Blickrichtung Osten, rechts oben ist die morgendliche Sonne im Dunst zu erkennen [2]
Bombentreffer. Eine Seitenwand eingestürzt. Zivilisten und Uniformierte auf der Strasse.
Bakeweg 15 [3]
Bombentreffer. Dachstühle komplett an den Reihenhäusern zerstört und abgebrannt.
Schäden am Haus Bakeweg 12 [4]
Bombentreffer. Einblick in das zerstörte Innere des Hauses.
Rablinghauser Landstrasse 52 [5]
Bombentreffer. Stark beschädigter Hafenschuppen. Zerstörte Fenster und Tore, Splitter in den Wänden.
Schuppen 8 im Europahafen [6]
Bombentreffer. Eingestürzte Tunneldecke, durch die Tageslicht scheint
Findorfftunnel [7]
Portrait von Lawrence Victor Elliott Petley in Uniform
L. W. E. Petley [8]