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AGLAN

Arbeitsgruppe
Luftfahrtarchäologie
Niedersachsen

19.10.1863 Rethem Moor


Reisezielziel : Bremen

Absturzzeit : 08:08 Uhr

Flugzeugtyp : Ballon

Seriennummer : 

Werknummer: -

Kennung : 

Nickname : 

Einheit : 

Heimatbasis : Paris

Status der Besatzung : 9 Verletzte



Die Besatzung:

P: Félix Tournachon alias Nadar



Begeistert beobachteten die geschätzten halbe Million Zuschauer, unter ihnen Kaiser Napoleon III. als auch der König von Griechenland, die Startvorbereitungen des "Le Géant", ein Großballon des Luftfahrt begeisterten französischen Fotopioniers Nadar, der mit bürgerlichen Namen Félix Tournachon hieß. Viele der Zuschauer hatten sogar 50 Centimes Eintrittsgeld bezahlt, um dem Spektakel beizuwohnen.

Über 300 Näherinnen wurde seinerzeit beschäftigt, um fast 18.000 Meter Seidenstoff zu einem 45 Meter hohen Ballon zu vernähen, der mit 6000 Kubikmeter Gas befüllt war, und über eine zweistöckige Gondel aus Korb verfügte. Auf dem Dach gab es einen Balkon, im Inneren gab es zwei Kabinen, ein Fotolabor, einen Toilettenraum sowie ein Lagerraum. Es war zu seiner Zeit das aufwändigste Luftfahrtzeug, welches bis dahin gebaut wurde.

Nach dem verzögerten Start gewann der Ballon an Höhe und fuhr in etwa 1200 Meter Höhe nach Nordosten in die Nacht hinein. Nachdem der Ballon Belgien und die Niederlande hinter sich gelassen hatte, konnten die drei Besatzungsmitglieder und die sechs Passagiere über Deutschland nach fast 650 Kilometern Reise einen leuchtenden Sonnenaufgang beobachten.

Nadar befürchtete, dass die Sonnenwärme das Gas in der Hülle ausdehnen könnte und die Hülle so zerstört würde. Er befahl daraufhin nach Überqueren der Weser bei Nienburg einen Abstieg. Bei diesem Manöver klemmte ein Ablassventil, sodass der Ballon noch zu viel Auftrieb hatte. Nach kurzer Bodenberührung stieg er wieder. Die bis dahin eher idyllische Ballonfahrt verwandelte sich in eine wahre Achterbahnfahrt. Starke Bodenwinde trieben den Ballon weiter. "Wie eine indische Gummikugel in den Händen eines unermüdlichen Spielers." so berichtete Nadar, sprang der Korb des Ballons durch die Wiesen und Wälder auf Kollisionskurs mit einem Dampfzug auf der Strecke Hannover - Bremen. "Noch ein paar Umdrehungen der Räder und es wird alles vorbei sein." schreibt er in seinen Memoiren. "Ein einziger Schrei entkommt unseren Kehlen, aber was für ein Schrei!" Der Lokführer brachte seinen Zug nur wenige Meter bevor es zu einem Zusammenstoß kommt zum Stehen. Der Ballon trieb weiter Richtung Rethem Moor, schleift durch die Torfkuhlen.

Vier Passagiere sprangen ab, der Ballon blieb in Bäumen des Frankenfelder Bruchs, nahe dem Hof Meyer am Güsten Stegel hängen. Der Korb kippte um, die restlichen fünf Passagiere nahmen ein unfreiwilliges Bad im Bach "Alpe". Fast alle Luftreisende waren mehr oder minder verletzt. Madame Nadar, die Ehefrau des Ballonfahrers, wurde unter dem gewaltigen Korb eingeklemmt. Landarbeiter, die den Unfall beobachteten hatten, eilten zu Hilfe.

Der französische Gesandte und sogar König Georg von Hannover wurden in der Angelegenheit aktiv, was wohl an der Prominenz von Nadar lag. In Rethem und auf dem Bahnhof Eystrup wurden Notlazarette für die Verunglückten eingerichtet. Die Reisenden wurden dann mit einem Sonderzug nach Hannover gebracht, wo Madame Nadar zur Pflege in ein Krankenhaus kam.



Quellen:


"The Aeronauts", Donald Dale Jackson, 1981

Mediengruppe Keiszeitung 18.10.2013


Bildnachweis:

[1] Bibliotheque Nationale, Paris, France, Gemeinfrei via Wikipedia.

[2] Illustrierte Zeitung, Bd. 41 (1863), S. 369, Gemeinfrei via Wikipedia.

[3] Stich von Henry de M signiert. Illustration aus einem Buch/einer Zeitschrift/einer Zeitung um 1863, Gemeinfrei via Wikipedia.

Portrait von Felix Nadar.
Felix Nadar [1]
Dar Ballon kollidiert auf den Schienen fast mit einem Zug.
Beinahe Kollision mit dem Dampfzug [2]
Die Gondel schleift über den Boden, Menschen fallen heraus.
Das Unglück in Rethem Moor [3]