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AGLAN

Arbeitsgruppe
Luftfahrtarchäologie
Niedersachsen

28.01.1966 Stuhr


Der Linienflug der Deutschen Lufthansa LH 005 startete am 28.01.1966 mit leichter Verspätung in Frankfurt (Main) nach Hamburg mit Zwischenlandung in Bremen. Um 17:41 hob die Convair 440 mit der Zulassung D-ACAT mit vier Besatzungsmitgliedern und 42 Fluggästen ab. Die Maschine wurde planmäßig um 18:45 Uhr in Bremen erwartet. Um 18:03 Uhr erreichte die Convair die Reiseflughöhe von 14000 Fuß, fast 4300 Meter. Mit etwa 200 Knoten eilte die Lufthansa-Maschine ihrem Zwischenziel entgegen. Nach einer halben Stunde Flugzeuit leitet Flugkapitän Heinz Saalfeld den Sinkflug für die Landung in Bremen ein. Der Anflug erfolgte mit dem Instrumentenlandesystem (ILS-Instrument Landing System).


Um 17:49 Uhr flog die Convair von Osten kommend mit ausgefahrenem Fahrwerk und eingeschalteten Landescheinwerfern die Landebahn 27 in Bremen an. 35 Sekunden später befand sich das Flugzeug immer noch in der Luft. Gerade mal 30 Fuß (neun Meter) trennten die Convair noch von der Landebahn. Da sich die Maschine aber schon an der Kreuzung mit der Landebahn 32/14 befand, reichten die restlichen 800 Meter der Landebahn 27 nicht aus, um die Maschine sicher zu landen. Die Convair 440 hatte mit dem aktuellen Landegewicht eine Mindestlandestrecke von 1515 Meter.


Vermutlich führte ein fehlerhaft anzeigendes Instrument zu einem Anflug im oberen Bereich des Gleitweges. Eine falsche Einschätzung der Flugzeugführer zu der tatsächlichen Höhe über Grund beim Übergang zum Sichtflug führte zu einem Zuweitkommen des Flugzeuges vom eigentlichen Aufsetzpunkt.


Flugkapitän Saalfeld entschied sich zum Durchstarten. Nur 100 Meter hinter der Landebahn befand sich der Ochtum-Deich, 100 und 200 Meter weiter befanden sich Luftfahrthindernisse mit 15 und 28 Metern über Normal Null (NN). Da Dunkelheit und verminderte Sicht von 1000 Meter, zeitweise nur 700 Meter bestand, gab es für die Flugzeugführer keinen sichtbaren Horizont und die Entfernungsschätzung wurde dadurch erschwert.


Die Convair zeigte nach Herstellerangaben beim Überziehen eine Rollneigung nach links, diese fällt mit ausgefahrenen Landeklappen und höherer Triebwerksleistung noch stärker aus und ist nur durch heftiges Betätigen der Querruder innerhalb der Maximalwerte zu halten.


Ob diese Hindernisse Flugkapitän Saalfeld dazu veranlassten, steiler als gewöhnlich durchzustarten, oder ob andere Faktoren zu dem im Unfallbericht angenommenen überzogenem Flugzustand führten, bleibt unklar. Da kein technischer Defekt am Flugzeug festzustellen war, und die Endlage das Flugzeug die vom Hersteller beschriebene Rollneigung beim Überziehen widerspiegelt, ist die Unfallursache durch Fahrtverlust und Strömungsabriss infolge von zu steilem Hochziehens wahrscheinlich.


Die Convair 440 kippte über die linke Tragfläche und schlug mit wieder eingezogenem und verriegeltem Fahrwerk südwestlich der Landebahn, jenseits der Ochtum und in Gegenrichtung zum Anflug, in die durchnässten Wiesen. Die linke Tragfläche und der Bug schlugen zuerst auf. Es wurde davon ausgegangen, dass alle 46 Menschen an Bord durch den Aufprall starben. 2500 Liter austretender Flugkraftstoff setzten die Wrackteile und die nähere Umgebung in Brand. Erst nach 40 Minuten konnte dieser Brand von der Flughavenfeuerwehr gelöscht werden.


46 Todesopfer forderte der Absturz. Alle waren unwissentlich und unvorhersehbar, ab dem Zeitpunkz mit dem sie an Bord der Convair 440 von Flug LH 005 gingen, mit ihrem schrecklichen Schicksal verknüpft.



Heinz Saalfeld

Klaus Schadhoff

Jutta Nawroth

Heide Bitterhof

Maria Dagmar

Stephan Schiffer

Carmen Longo

Daniela Samuele

Luciana Massenzi

Amedeo Chimissio

Bruno Bianchi

Sergio De Gregorio

Chiaffredo Rora

Paolo Costoli

Nico Sapio

Uta Brandt

Gerd Anders

Doris Gärtner

Hilde Gärtner

Rena Freiberger

Helmut Stiller

Dr. Hans Schröter

Bernhard Huber

Hans-Jürgen Pöhn

Gerhard Lietze

Renate Radau

Gert Schneider

Johannes Spross

Ada Tschechowa

Ralf Wimmer

Norbert Lang

Jürgen Thewes

Karl Schmidt

Dr. Klaus Brock

Willi Lüsch

Friedrich-Karl von Zitzewitz

Hendrik De Boer

Wolfgang Behnert

Dr. Karl Suchsland

William Riley Baker

Horst Schuhmacher

Horst Bischoff

Siegmund Weindich

Franz Witte

Wilhelm Lau

Kurt Rosiefsky


Flugkapitän Heinz Saalfeld war 48 Jahre alt, ein erfahrener Flugzeugführer, der im Zweiten Weltkrieg diverse Flugzeugmuster flog und seit 1957 für die Lufthansa tätig war.


Klaus Schadhoff, der 27-jährige Copilot, der an der Verkehrsfliegerschule der Lufthansa am Unglücksort Bremen seine fliegerische Ausbildung absolvierte, hoffte bei dem Zwischenstopp seine Verlobte zu treffen.


Die ebenfalls 27-jährige Stewardess Heide Bitterhoff war für den Flug nicht eingeplant und sprang für ihre Kollegin Helga Boelke ein, die krankheitsbedingt ausfiel.


Eine andere Stewardess, die 23-jährige Maria Wolf, hatte Urlaub und wollte ihre Familie in Brinkum besuchen, nur drei Kilometer von ihrem Todesort entfernt.


Unter den Todesopfern waren auch sieben Schwimmer der italienischen Olympiamannschaft, ihr Trainer Paolo Costoli und der ital. RAI-Fernsehreporter Nico Sapio, die zum 10. internationalen Schwimmfest in Bremen eingeladen waren. Die jungen Olympia-Hoffnungen Bruno Bianchi, Dino Rora, Sergio De Gregorio, Luciana Massenzi, Carmen Longo, Amedeo Chimisso und Daniela Samuele waren zwischen 17 und 23 Jahre alt.


An ihrem Abflughafen in Mailand herrschte dichter Nebel, sodass ihr Alitalia-Flug nach Frankfurt abgesagt wurde. Sie hatten sich zur Weiterreise mit dem Bus und der Bahn entschlossen, als ein späterer Swissair-Flug sie über Zürich nach Frankfurt brachte. Eine Passkontrolle in Frankfurt, ließ die Gruppe den Anschluss nach Bremen um 12 Minuten verpassen, den Flug um 14.15 Uhr. Das zwang die Sportler den LH 005 Flug nach Bremen zu nehmen. Der Schwimmwettbewerb begann mit einer Schweigeminute für die Toten und Blumen auf den Startblöcken.


Zu den Opfern zählte auch die 48 Jahre alte deutsche Schauspielerin Ada Michajlowna Tschechowa, die zu der Theaterpremiere ihrer Cousine Marina Ried nach Hamburg fliegen wollte. Nur für ihren Schauspielerkollegen Norbert Kappen machte sie den Umweg über Bremen. Sie soll angeblich für die Verspätung gesorgt haben, und nur wegen ihres "VIP" Vermerk auf dem Flugschein an Bord gelassen worden sein.


Der 45-jährige AEG-Ingenieur Helmut Stiller sollte an diesem Tag mit zwei weiteren Kollegen, Dr. Hans Schröter und Bernhard Huber von einer Tagung ihres Arbeitgebers in München mit der 22 Uhr Maschine nach Bremen zurückkehren. Die drei Männer hatten umgebucht und flogen mit LH 005.


Auch Kurt Rosiefsky, er war ein Bremer Baumwollhändler, befand sich auf dem Rückweg von einer Geschäftsreise.


Der 41-jährige Friedrich-Karl von Zitzewitz stammte aus einer Adelsfamilie. Sein Vater engagierte sich im Widerstand gegen das Dritte Reich und wurde im Zusammenhang mit dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 verhaftet.


Dr. Karl Suchsland war ein Spezialist auf dem Gebiet der Material- und Produktionswissenschaften, der eine wegweisende Arbeit über die Holzleimverklebung geschrieben hatte. Er befand sich auf dem Heimweg nach Hamburg.


Neben der Flughafenfeuerwehr war der THW-Bezirksverband Bremen-Neustadt (heute der THW-Ortsverband Bremen-Süd) mit einer der ersten Einsatzkräfte an der Absturzstelle. Während einer Ausbildungsveranstaltung in der THW-Unterkunft erfolgte die Alarmierung. So konnten 41 THW-Einsatzkräfte sehr schnell an der Absturzstelle eingesetzt werden.


Die Dunkelheit erforderte das Ausleuchten der Absturzstelle. Das bedingte den Einsatz sämtlicher damals zur Verfügung stehender Beleuchtungsmittel des THW. Die Feuerwehr und Polizei hatten zu jener Zeit nur die auf ihren Einsatzfahrzeugen montierten Scheinwerfer. Mit der eigentlichen Bergung der Opfer durfte erst nach der Freigabe durch die Kriminalpolizei begonnen werden.


Die Bergung der Todesopfer erfolgte erst ab dem Morgen des nächsten Tages. 100 Helfer der ehemaligen THW-Bezirksverbände Bremen-Neustadt, -Ost und -Vegesack waren an der Absturzstelle im Einsatz. Der zähe Schlamm an der Absturzstelle zehrte an den Kräften der teilweise jungen Helfer. Aber nicht nur die physische Anstrengung forderte alles von den Einsatzkräften, sondern besonders die psychische Belastung der zu bergenden, mitunter entsetzlich entstellten Toten.



Quellen:


Bericht über die Untersuchung des Unfalls CV 440 D-ACAT

THW Ortsverband Bremen Süd

Im Blindflug in den Tod, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28.01.2016

Dieser Tag hat alles verändert, NWZ Online vom 28.01.2016

UFA-Wochenschau 497/1966 vom 01.02.1966, Bundesarchiv

Tra le onde nel cielo (Teaser), https://youtu.be/zssdKRM0XmQ

Valle Bolognesi vom 30,01.2020, Carmen Longo


Bildnachweis:

[1] https://ov-bremen-sued.thw.de/aktuelles/aktuelle-meldungen/artikel/vor-55-jahren-flugzeugabsturz-auf-dem-neuenlander-feld/

[2] Wikipedia und diverse italienische Medien

[3] Ausschnitt einer Autogrammkarte, unbekannter Fotograf

Das Leitwerk des Flugzeuges liegt schräg in den Trümmern, Kriminalpolozei und THW untersuchen die Absturzstelle.
Kriminalpolizei und THW am Folgetag an der Absturzstelle [1]
Portrait von Paolo Costoli
Paolo Costoli [2]
Portrait von Carmen Longo
Carmen Longo [2]
Portrait von Daniela Samuele
Daniela Samuele [2]
Portrait von Luciana Massenzi
Luciana Massenzi [2]
Portrait von Amedeo Chimisso
Amedeo Chimisso [2]
Portrait von Bruno Bianchi
Bruno Bianchi [2]
Portrait von Dino Rora
Dino Rora [2]
Portrait von Sergio De Gregorio
Sergio De Gregorio [2]
Portrait von Nico Sapio
Nico Sapio [2]
Portrait von Ada Tschechowa
Ada Tschechowa [3]
Vier THW Helfer Tragen eine Bergewanne über eine schlammige Wiese.
Bergung der Todesopfer durch das THW [1]