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AGLAN

Arbeitsgruppe
Luftfahrtarchäologie
Niedersachsen

21.03.1940 Duhnen


Angriffsziel :  Konvoi Orkneys

Absturzzeit : 00:22 Uhr

Flugzeugtyp : He 111 H-3

Seriennummer : 

Werknummer: -

Kennung : 1H+?

Nickname : -

Einheit : 2./KG 26

Heimatbasis : 

Status der Besatzung : 1 KIA, 3 Safe


Die Besatzung:


P: ? Safe


BM: ? Safe


BF: Gefr. Hans Baehr KIA


BS: ? Safe


Deutsche Aufklärer entdeckten in den Vormittagsstunden des 20. März 1940 östlich von Schottland Konvois, die westwärts Richtung britischer Insel und ostwärts Richtung Norwegen unterwegs waren.


Dem Konvoi HN 20 der seit dem 18. März aus Norwegen nach Westen unterwegs war, bestand aus 43 Schiffen, die für unterschiedliche Häfen in Großbritannien und Frankreich bestimmt waren. Ihm schlossen sich drei Schiffen an, die aus Kirkwall für die Ostküste Großbritanniens bestimmt waren.


Konvoi ON 21 war am 19. März mit nördlichem Kurs nach Norwegen aus Methil in Schottland ausgelaufen. Mit den 15 Schiffen, die sich dem Konvoi aus Kirkwall anschließen sollten, bestand der Konvoi aus 41 Handelsschiffen.


Beide Konvois wurden durch den Kreuzer SHEFFIELD, dem Flugabwehrkreuzers CAIRO gesichert. Zusätzlich waren für HN 20 sechs und für ON 21 fünf Zerstörer abgestellt.


In den Nachmittagsstunden des 20. März starteten die Heinkel He 111 des KG 26 von ihren Plätzen in Schleswig und Westerland mit nordwestlichem Kurs ab, mit dem Auftrag, die Schiffsansammlung anzugreifen. In der Dämmerung erreichten die Heinkel Bomber gegen 18:40 Uhr das Zielgebiet östlich der Orkneys. Sechs Bomber griffen den ostwärts aus Kirkwall kommenden nördlichen Teil des Konvois ON 21 an. Drei der Bomber wurden durch Blackburn Skua Mk. II der Fleet Air Arm (FAA) abgedrängt. Vermutlich war es die Skua des Squadron No. 800, die um 18:52 Uhr 20 Meilen südlich Kirkwall in 2500 ft Höhe auf aus Nordosten kommende He 111 stießen.


Lieutenant E. W. Taylor und sein Beobachter in der Skua Lieutenant R. S. Bostock flogen den ersten Bomber der Formation von leicht unterhalb an und eröffnete das Feuer, als er den Bug des Bombers im Visier hatte. Er konnten aber keinen Abschuss erzielen. Die Besatzung des Bomber wehrte sich nur aus dem oberen Waffenstand und verfehlte die Skua von Taylor. Die Blakburn Skua war im Horizontalflug langsamer als die He 111, aber diesmal hatten die Skuas kein Problem, die nur 130 Knoten schnellen Heinkel zu überholen. Petty Officer H. A. Monk und sein Beobachter Leading Airman M. Hall griffen den vierten Bomber der Formation auf gleiche Weise an, gefolgt von kurzen Attacken auf drei weitere Bomber. Die Heinkel- Formation entzogen sich durch Hochziehen in die Wolken dem feindlichen Feuer.


Dennoch beschädigten die Bomber den Dampfer ERLING LINDOE und TORA ELISE 53 Meilen vor Noss Head, so wie den norwegischen Dampfer SVINTA in 59° N, 2° W. Der norwegische Dampfer CYGNUS stand der beschädigten SVINTA zur Seite, bis der Schlepper ST MELLONS eintraf und sie ins Schlepptau nahm. Alle beschädigten Schiffe kehrten nach Kirkwall zurück.


Zwei der He 111 griffen den nach Norden laufenden Abschnitt des Konvoi ON 21 aus Methil an und trafen den schwedischen Dampfer UTKLIPPAN mit einer Brandbombe, 59 Meilen östlich Scapa Flow. Die Besatzung verließ darauf hin das Schiff, kehrte aber später an Bord zurück und konnte die Fahrt fortsetzen. Der Dampfer NORTHERN COAST wurde 18 Meilen östlich von Copinsay getroffen, er gehörte vermutlich zu den drei Schiffen, die sich aus Kirkwall kommend dem Konvoi HN 20 anschließen wollten. Aus dem Konvoi HN 20 wurde der Dampfer THISTLEBRAE und der Tanker DAGHESTAN beschädigt.


Wesentlich erfolgreicher als die Piloten des Squadron No. 800 waren der Pilot Lieutenant William Paulet Lucy und sein Beobachter Lieutenant Michael Charles Edward Hanson vom Squadron No. 803. Er kehrte gerade von einer Patrouille zurück als er eine einzeln fliegende He 111 entdeckte, die tief über einigen Handelsschiffen kreiste. Mit einem steilen Sturzangriff attackierte er die He 111. Diese zog hoch und legte sich langsam in eine Linkskurve. "Der Feind eröffnete das Feuer, aber alle Salven gingen links vorbei." So Lieutenant Lucy in seinem Kampfbericht. Lucy bekämpfte die Heinkel mit kurzen Feuerstößen, von denen der Erste leicht zum Heck, die Nächsten vorn trafen.


Ein weiterer Feuerstoß traf die Heinkel und der Heckschütze hörte auf zu feuern. Die Skua des Lieutenants schoss mit Fahrtüberschuss über die Heinkel hinweg und drehte nach rechts weg. Erneut traf Lucy, als die Heinkel sich wieder in einer Linkskurve befand. Als er auf 50 Yards herankam, war der Bomber von schwarzem Rauch umhüllt. Erst dachte Lucy, die Heinkel wäre explodiert, aber dies war nicht der Fall. Die Heinkel konnte sich, mit ausgefahrenem Fahrwerk, vermutlich war die Hydraulik getroffen, in die Wolken retten.


„Die Frontscheibe war ölverschmiert, es stammte vom Feind.“ gab Lucy zu Protokoll.


Aufgrund dessen, dass die britische Funkaufklärung mithörte, das die Deutschen ohne Erfolg eine vermisste Heinkel über Funk versuchten zu erreichen, wurde Lieutenant Lucy der Abschuss einer Heinkel He 111 zugesprochen. Hat Lucy die die bis heute vermisste Heinkel des Staffelkapitäns Hauptmann Otto Andreas von der 6./KG 26 abgeschossen, oder jene Heinkel schwer beschädigt die kurz nach Mitternacht vor Cuxhaven-Duhnen eine Notlandung absolvierte?


In einem zeitgenössischen Zeitungsartikel der Dresdener Nachrichten berichtet die Besatzung über Ihren Einsatz:


„..., 23. März. (P. K.) Das bei dem erfolgreichen Vorstoß der deutschen Luftwaffe gegen Scapa Flow zunächst als vermisst angegebene Flugzeug ist, wie schon mitgeteilt, zurückgekehrt und hat die Versenkung eines weiteren Dampfers aus dem Geleitzug mit 6000 Tonnen gemeldet.


Jetzt sitzen die Männer der Flugzeugbesatzung in einem Fliegerhorst, der eine mit einer durchschossenen Mütze, der andere mit durchschossenen Stiefeln und erzählen:


'Wir erhielten Befehl zum Start nach der englischen Küste mit der Aufgabe, einen englischen Geleitzug anzugreifen. Begeistert von der bevorstehenden Arbeit, kletterten wir gegen 15 Uhr in unsere Kiste. Gleichmäßig brummen die Motoren, Kurs: Scapa Flow! …Wir fliegen den Geleitzug an. Die rechts außen fahrende Schiffe sind absprachegemäß für uns „reserviert“. …Der Beobachter zieht am Bombenabzug. Zwei Bomben sausen in die Tiefe, schlagen steuerbord und backbord auf dem Schiff ein und ein Blick überzeugt davon – es genügt. Plötzlich klickert und knattert es in der ganzen Kiste: Der Tommy! Einer links, einer rechts, zwei von hinten. Alle Rohre der Spitfire Maschinen feuern. Überall knistert und splittert es. Wir haben hinterher eine Anzahl von Einschlägen festgestellt. ...da aber dachten wir, jetzt bloß raus. Die einzige Möglichkeit der Rettung ist die Wolkendecke. 300 Meter höher.


Steil zieht der Flugzeugführer die Maschine hoch. Der Bordfunker, der das Heckmaschinengewehr bedient, sinkt vorn über, Kopfschuß. ...Mit verbissenem Gesicht starrt der Flugzeugführer auf das Kühlwasserthermometer des rechten Motors: 120 Grad! ...Noch einige Sekunden, dann steht der Motor still. Wir sehen uns stumm an. Die Maschine „schmiert“ ab und nähert sich mit größter Geschwindigkeit dem Meer. In letzter Sekunde gelingt es die Maschine abzufangen. Gerade noch 80 Meter über dem Meer. ...Nun merkt der Flugzeugführer, daß auch das Seitensteuers klemmt. Mit der Kraft seines ganzen Körpers stemmt er beide Füße gegen das Pedal des Seitensteuers.


Aber kommen wir so noch weiter? ...Die Brennstoffleitung eines Reservetanks ist durchschossen. Zwei andere Tanks sind noch heil. Aber die Brennstoffpumpe ist ausgefallen. Die Handpumpe wird probiert – zieht nicht, wird immer wieder probiert, auf einmal: Hurra! rufen wir, als wären wir gerettet. … Alles Entbehrliche, darunter Maschinengewehre und Munition, wird über Bord geworfen. Nun verrinnen die Minuten wie eine Ewigkeit. Kommen wir auch nach Deutschland? Haben wir den richtigen Kurs? Der größte Teil der Instrumente, darunter auch der Kompaß, ist ausgefallen. Mit einem Notkompaß muß weitergesteuert werden. ...Wieder rechnet der Bordwart auf seinem Block, ob der Brennstoff reicht. Um 23 Uhr müßten wir an die deutsche Küste kommen. Es ist bereits 23.15 Uhr. Immer noch keine Küste, kein Licht, nichts in Sicht. Eine Viertel- eine halbe Stunde vergeht, immer noch nichts.


… Da leuchten Scheinwerfer auf, und jetzt erkennen wir Helgoland, ja, wirklich, Helgoland. Erkennungssignal geschossen und weiter zur Küste. Sollen wir landen? Der Brennstoff geht zu Ende. Höher können wir nicht mehr fliegen, und mit unseren 80 Metern Höhe können wir nicht landeinwärts. Wenn wir nur das Watt erkennen könnten, dann müßten wir es eben riskieren. Ein Küstenscheinwerfer blendet auf. Erkennungssignal und Notsignal hinterher. Mit letzter Anstrengung wird dem Seitensteuer eine riesengroße Schleife abgetrotzt. Der Scheinwerferführer hat begriffen und rettet uns damit das Leben. Breit strahlt er das Watt vor dem Flugzeug, mit seinem Strahl vorauslaufend, an. 20 Meter Höhe und jetzt, jetzt wünscht sich jeder Hals- und Beinbruch: Hinein ins Watt. Einen tollen Schlag hat es gegeben, aber jetzt liegen wir mit der Maschine still. ...Fertig? Nein. Mit herbeigeeilten Mannschaften bergen wir bis zum Morgengrauen die brave Maschine...“


Der Marinestab Cuxhaven meldet im Kriegstagebuch für den 21.März 1940:


„...00:22 (Uhr) Flugzeug gibt nördl. Scheinwerfer 4 in Lichtkegel ES. Beim Überfliegen der Scheinwerferstellung ist am Geräusch zu erkennen, daß die Maschine nur mit einem Motor fliegt. Nach einem Kreis über der Stellung setzt die Maschine offensichtlich zur Notlandung an. Der Scheinwerferführer legt den Lichtkegel vor die Maschine auf das Watt und ermöglicht so eine glatte Landung. Die Scheinwerferbedienung hilft der Flugzeugbesatzung beim Ausbauen der Apparate und veranlaßt Abholung eines Toten. Flugzeug wird durch Zugmaschine des Fliegerhorstes Nordholz und der Kraftfahrkompanie auf den Strand gezogen. Bergungsarbeiten sind 04,56 beendet...“


Welchen Bomber hat Lieutenant Lucy jetzt aber bekämpft und schwer beschädigt? Man kann es nicht mit Sicherheit sagen, aber die Parallelen zwischen dem Einsatzbericht von Lieutenant Lucy und dem Augenzeugenbericht der Besatzung im Zeitungsartikel, der vielleicht aus propagandistischen Gründen etwas übertrieben erscheint, ist verblüffend.


Der am 01. August 1914 im Kreis preußisch Holland/Ostpreußen geborene und im Einsatz getötete Bordfunker Gefreiter Hans Baehr wurde in seine Heimat nach Königsberg/Ostpreußen überführt. Seine Grablage ist unbekannt, sein Grab scheint nicht mehr existent zu sein.




Quellen:


Dresdener Nachrichten, 23. März 1940

SKUA The Royal Navy's Dive-Bomber, Peter C. Smith

The Fleet Air Arm and the War in Europe, 1939–1945, David Hobbs

HN & ON Convoys Attacked by Aircraft and other enemy encounters Norway to U.K. / U.K. to Norway, http://www.warsailors.com/convoys/hnondates3.html

British and Other Navies in World War 2 Day-by-Day by Don Kindell, http://www.naval-history.net/xDKWW2-4003-12MAR02.htm

https://www.dingeraviation.net/skuaroc/first_blood.htm

https://www.mdr.de/geschichte/hitlers-vorzeigepilot-100.html


Bildnachweis:

[1] Uwe Ritzmann, Hannover, über Gerd Wildfang, Cuxhaven

Das Flugzeug liegt am Strand von Duhnen.
Die He 111 am Strand von Duhnen
Der Rumpf mit dem Balkenkreuz zeigt Einschusslöcher.
Einschusslöcher im Rumpf der Heinkel
Das Flugzeug von vorn aufgenommen, Propeller und Bug sind zu sehen.
Bug der He 111